HRI –
Stand der Homöopathieforschung: Von der experimentellen Forschung zur klinischen Evidenz
Das Homeopathy Research Institute, ein Forschungsinstitut in London, hat 2024 eine Zusammenfassung zum Stand der Homöopathieforschung vorgelegt. Es wird betont, dass sowohl die experimentelle, als auch die klinische Forschung in ihrer Gesamtheit überzeugende Nachweise für die Wirksamkeit der Homöopathie erbracht habe.
1. Experimentelle Forschung (Grundlagenforschung)
Studien der Grundlagenforschung gehen letztlich der Frage nach, ob (hoch) potenzierte Arzneimittel in physikalisch-chemischen und biologischen Modellen spezifische Wirkungen auslösen können. Der Nachweis von Effekten (hoch) potenzierter Substanzen im Labor spricht dagegen, dass für die Wirkung hoher Potenzen ausschließlich der Wirkstoffgehalt relevant ist. Dies widerlegt die Annahme, (hoch) potenzierte homöopathische Arzneimittel mit geringem oder nicht nachweisbarem Wirkstoffgehalt könnten aufgrund mangelnder biologischer Plausibilität a priori nicht wirksam sein.
Die Qualität der Forschung hat sich im Laufe der Zeit durch moderne Analysetechnologien, strenge Kontrollen und die Validierung der Ergebnisse in mehreren Labors erheblich verbessert. In diversen physikalischen-chemischen oder biologischen Modellen kann eine statistisch signifikante Wirkung (hoch) potenzierter Substanzen nachgewiesen werden. Sie wurden z.T. mehrfach von verschiedenen Arbeitsgruppen repliziert und bestätigt.
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a.
Die Auswertung von physikalisch-chemische Untersuchung auch mit (hoch) potenzierten Substanzen, zum Beispiel mit Spektroskopie oder Kernspinresonanz, zeigt, dass von ca. 200 Studien 72 % über spezifische Effekte berichten, die sich von den Wirkungen der verwendeten Kontrollen unterscheiden. Interessant ist, dass diese Effekte auch in 79% der 24 methodisch besten Experimenten nachgewiesen werden konnte.
b.
So genannte In vitro Studien befassen sich mit biologischen Experimenten außerhalb eines lebenden Organismus, z.B. mit isolierten Zellen oder Zellkulturen. 77% der 58 Publikationen dokumentieren biologische Wirkungen (hoch) potenzierter Substanzen. Es wird auf mehrere Studien mit dem homöopathischen Arzneimittel Gelsemium hingewiesen, das im potenzierten Zustand etliche Parameter des Zellstoffwechsels verändern kann.
c.
Die Forschung an Tiermodellen bestätigt die messbare Wirkung homöopathisch potenzierter Arzneimittel in komplexen biologischen Systemen. Berichtet wird z.B. über Veränderungen des Verhaltens von ängstlichen Mäusen, die in derselben Größenordnung liegen wie bei der Behandlung durch Psychopharmaka. Als robustes und effektives Forschungsmodell hat sich der Effekt von (hoch) potenziertem Thyroxin auf die Entwicklungsgeschwindigkeit der Larven von Rana temporaria (Grasfrosch) erwiesen. Die Amphibien wurden entweder mit potenziertem Thyroxin (D 30) oder potenziertem Wasser (Placebokontrolle) behandelt. Die Effekte auf die Entwicklungsgeschwindigkeit der Larven unter Zugabe von hoch potenziertem Thyroxin im Vergleich zu den Placebokontrollen sind deutlich. Die Arbeiten sind überwiegend statistisch signifikant, beruhen als nicht auf Zufall. Die Ergebnisse wurden in sieben verschiedenen Laboren in vier unterschiedlichen Ländern reproduziert.
d.
Ein umfangreiches Forschungsgebiet für den Nachweis spezifischer Wirkungen homöopathischer Hochpotenzen sind diverse Modelle mit Pflanzen. Untersucht wird u.a., wie die Entwicklung von Samen, Pflanzenteilen oder der ganzen Pflanze unter verschiedenen Umgebungsbedingungen durch die Zugabe von (hoch-) potenzierten Substanzen beeinflusst wird.
Berichtet wird über eine Studienzusammenfassung aus dem Jahr 2018. Von 192 Publikationen mit Pflanzenversuchen zeigen über 90 % der Studien positive Wirkungen potenzierter Wirkstoffe im Vergleich zu den Placebokontrollen – auch mit hoch potenzierten Wirkstoffen.
Hervorgehoben werden etliche Experimente mit Wasserlinsen (Lemna gibba). Es gilt als belegt, dass die Behandlung der Pflanzen mit einem (hoch-) potenzierten Arzneimittel biologische Effekte erzeugt, die sich von denen der Kontrolllösungen deutlich unterscheiden lassen. Die Experimente sind methodisch hochwertig, ihre Ergebnisse statistisch signifikant (nicht auf einen Zufall zurückzuführen) und in verschiedenen Laboren wiederholbar.
2. Klinische Forschung
Ihr Ziel ist es Medikamente (oder andere medizinische Interventionen) auf ihre Wirksamkeit, ihren Nutzen und ihre Sicherheit durch Studien mit kranken Menschen zu überprüfen.
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a.
Kontrollierte Studien
Durch den Vergleich einer bestimmten Behandlung mit einer anderen, mit einer Scheinbehandlung (Placebo) oder auch gar keiner Behandlung, kann eine kontrollierte Therapiestudie einiges darüber aussagen, ob diese Behandlung statistisch gesichert einen messbaren Effekt hat, wie groß dieser ist und wie hoch das Risiko unerwünschter (Neben-) Wirkungen ist.
Es wird vom HRI darüber berichtet, dass 329 kontrollierte klinische Homöopathiestudien in Zeitschriften veröffentlicht wurden, die von unabhängigen Fachleuten begutachtet wurden (Peer Review). Hervorgehoben werden die positiven Ergebnisse methodisch hochwertigen Studien bei der ganzjährigen allergischen Rhinitis (Heuschnupfen) und bei dem Prämenstruellen Syndrom von Frauen.
b.
Zusammenfassungen: Systematische Übersichten und Metaanalysen
Für einen umfassenden Überblick über die aktuelle Studiensituation werden in einer Systematischen Übersichtsarbeit („Systematisches Review“) verfügbare Studien gemäß einem festgelegten methodischen Vorgehen analysiert und ihre Qualität kritisch bewertet. Werden die Ergebnisse der gemeinsam ausgewerteten Studien zu einem Gesamtergebnis zusammengefasst, handelt es sich um eine Metaanalyse. Ihr wird die höchste Verlässlichkeit bei der Beurteilung von Wirksamkeit zugeschrieben.
Berichtet wird über Metaanalysen, die Studienergebnisse für eine einzelne Erkrankung zusammenfassen. Positive Ergebnisse sind dokumentiert bei der Behandlung der Fibromyalgie, bei Durchfall von Kindern und bei einem Darmverschluss nach einer Operation. Metaanalysen aus der Zahnheilkunde und bei psychiatrischen Erkrankungen zeigen keine eindeutigen Ergebnisse.
Ein Systematisches Review auf der Basis von 6 Metaanalysen von randomisierten, placebokontrollierten Homöopathiestudien für jegliche Indikation hat erstmals eine zusammenfassende Effektschätzung für Homöopathie im Vergleich zu Placebo zusammengetragen (2023). Dabei wurden die aktuell gültigen Standards für die Erstellung eines Systematischen Reviews streng befolgt. 5 der 6 vorliegenden Metaanalysen enthalten eine zusammenfassende Effektschätzung für alle eingeschlossene Studien. Alle fünf Metaanalysen zeigen statistisch signifikant einen positiven Effekt der Homöopathie im Vergleich zu Placebo. Dabei war die Qualität der Gesamtevidenz für die individualisierte Homöopathie „hoch“ und für die nicht-individualisierte Homöopathie „moderat“.
Es werden auch die von Kritikern der Homöopathie gerne zitierten Arbeiten von Shang et al. sowie der Bericht des australischen „National Health and Medical Research Council“ (NHMRC) kritisch betrachtet. Die Metaanalyse von Shang et al. aus dem Jahr 2005 kommt zu dem Ergebnis, dass die Wirkung der Homöopathie mit der von Placebo vergleichbar sei. Das Ergebnis berücksichtigt lediglich 8 der insgesamt 110 eingeschlossenen Studien. Nachträglich durchgeführte Sensitivitätsanalysen zeigen (eine Methode, die prüft, wie empfindlich das Endergebnis auf Änderungen der Datenbasis reagiert), dass ein negatives Ergebnis ausschließlich mit der Kombination dieser 8 Studien zu erhalten ist.
Auch das negative Ergebnis der Systematische Übersichtsarbeit des NHMRC von 2015 lässt aus methodischer Sicht viele Fragen unbeantwortet. Von insgesamt 176 eingeschlossenen Studien fließen nur 5 in das Ergebnis ein. Zitiert wird die öffentliche Erklärung von Frau Professor Kelso, der Geschäftsführerin des NHMRC: „ … Contrary to some claims, the review did not conclude that homeopathy was ineffective … “.
c.
Beobachtungsstudien
Kontrollierte Studien werden unter besonders ausgewählten Bedingungen an speziellen Zentren von speziellen Ärzten mit speziellen (oft angeworbenen) Patienten durchgeführt. Z.B. bestehen strenge Ein- bzw. Ausschlusskriterien (Alter, sozialer Status, Lebensstil, geographische Besonderheiten, Begleiterkrankungen, Medikamenteneinnahme u.a.). Deswegen können die Behandlungsergebnisse kontrollierter Studien oft nur eingeschränkt auf die Routineversorgung übertragen werden und sie werden durch Beobachtungsstudien ergänzt. Es geht in diesem Setting eher um den Nutzen und die Tauglichkeit einer Behandlung unter Alltagsbedingungen – so, wie medizinische Versorgung in der Realität stattfindet. Die methodischen Schwächen von Beobachtungsstudien werden durch Verwendung robuster Protokolle, validierter Beurteilungskriterien und ausgefeilter statistischer Analysen angegangen. Die hohe Qualität, der große Umfang und die geografische Vielfalt dieser Studien geben wertvolle Einblicke in die reale Wirksamkeit der Homöopathie.
Es werden die positiven Ergebnisse mehrerer Beobachtungsstudien dargestellt. Zwei Studien seien exemplarisch genannt:
Die französische EPI3-Studie zeigt, dass von homöopathisch ausgebildeten Hausärzten 57 % weniger Antibiotika bei Atemwegsinfektionen, 71 % weniger Psychopharmaka bei Angstzuständen/Depression und 46 % weniger Antiphlogistika (Medikamente gegen Entzündungen und Schmerz) bei Erkrankungen des Bewegungsapparates verschrieben wurden – bei gleichwertigen klinischen Ergebnissen.
Eine deutsche Langzeitstudie über zwei Jahre dokumentiert die nachhaltige Verbesserung von Beschwerden. Eingeschlossen wurden Patienten mit chronischen Erkrankungen. Dokumentiert wurde eine statistisch signifikante Besserung bei nahezu allen erhobenen Parametern. Die größte Auswirkung auf Krankheitssymptome erfolgte innerhalb der ersten drei Monate mit fast 50 %. Kinder und Patienten mit schweren Krankheiten profitierten am stärksten. Bei der Nachuntersuchung acht Jahre später zeigte sich, dass der positive Effekt nachhaltig war.
d.
Gesundheitsökonomische Auswirkungen
Auch wenn die Studienergebnisse teilweise heterogen sind, zeigt sich eine deutliche Tendenz dahingehend, dass sich der Einsatz der Homöopathie für das Gesundheitssystem rechnet.
Dieser Trend wird vom HRI durch eine Vielzahl von Daten untermauert. Beispielsweise wurde 2024 eine Systematische Übersichtsarbeit zur gesundheitsökonomischen Bewertung der Homöopathie erstellt. 14 von 21 Studien zeigen, dass eine homöopathische Behandlung bei geringeren oder ähnlichen Kosten wie die der Kontrollgruppe mindestens genauso wirksam ist. Weitere Studien ergaben bessere Ergebnisse unter Homöopathie bei höheren Kosten und nur 3 Studien zeigten zwar ähnliche Behandlungsergebnisse von Homöopathie– und Kontrollgruppe, allerdings bei höheren Kosten der homöopathischen Behandlung.
Es werden vom HRI weitere gesundheitsökonomische Studiendaten angeführt, die für eine homöopathische Behandlung sprechen, z.B. eine durchschnittliche Senkung der Gesamtausgaben für das Gesundheitswesen um 35 % (Frankreich), geringere Kosten bei der Behandlung von Infekten im Kindesalter, sowie ca. 70 % weniger Arbeitsunfähigkeitstage der Eltern wegen Krankheiten ihrer Kinder.
Ein weiterer, indirekter und nicht nur gesundheitsökonomischer Vorteile der homöopathischen Behandlung ist das Einsparpotential für etliche konventionelle Medikamente wie zum Beispiel Antibiotika und Antiphlogistika. Weitere Studien belegen, dass die zusätzliche homöopathische Behandlung auch in der Onkologie durch eine Reduzierung begleitender konventioneller Medikamente Nebenwirkung reduzieren hilft.
Demgegenüber belegen Studien, dass schwerwiegende Nebenwirkungen unter homöopathischer Therapie deutlich seltener sind als unter einer konventionellen Behandlung, sie befinden sich in etwa auf Placeboniveau. Damit lassen sich Kosten im Zusammenhang mit der Behandlung von Nebenwirkungen, zusätzlichen Konsultationen und ungeplanten Krankenhausaufenthalten wegen unerwünschten Begleiterscheinungen einsparen.
Fazit des HRI
Die Homöopathieforschung hat in der Vergangenheit erhebliche Fortschritte gemacht. Mittlerweile gibt es in allen Bereichen der Grundlagen- und klinischen Forschung eine Evidenzbasis, die solide und kohärent ist. Diese wird ergänzt durch die gesundheitsökonomische Bedeutung der Homöopathie, die eine Optimierung der medizinischen Ressourcen ermöglicht. Zudem kann Homöopathie einen Beitrag zur Bewältigung großer Herausforderung leisten, wie z.B. der Antibiotikaresistenz.
Die positive Studiendaten aus dem Bereich der Veterinärmedizin und die Effekte auf die Pflanzengesundheit liefert zusätzliche Beweise für die Plausibilität der biologischen Wirkung der Homöopathie. Das HRI sieht auf der Grundlage der bestehenden Forschungsdaten ein Potenzial dafür, dass die Homöopathie eine wertvolle Rolle in der Versorgung spielen wird, um den wachsenden Bedarf an wirksamer, erschwinglicher und patientenzentrierter Versorgung zu decken. Aus diesem Grund sollten die erforderlichen Ressourcen für die weitere Erforschung der Homöopathie bereitgestellt werden.