Ähnlichkeit in der Homöopathie
Homöopathisch zu behandeln bedeutet ein Arzneimittel anzuwenden, das der persönlichen Erscheinung einer Erkrankung, die sich in individuellen Symptomen ausdrückt, möglichst ähnlich ist.
Im Mittelpunkt der Homöopathie steht das Ähnlichkeitsprinzip, „Similia similibus curentur“ (= „Ähnliches werde durch Ähnliches geheilt“). Ihm verdankt das Heilverfahren seinen Namen (aus dem Griechischen: homoios = ähnlich; pathos = das Leiden).
Darunter ist Folgendes zu verstehen: Die Einnahme eines pflanzlichen, tierischen oder mineralischen Wirkstoffes ruft bei einem (gesunden) Menschen bestimmte Erscheinungen (Symptome) hervor. In der Homöopathie nennt man dieses Vorgehen Arzneimittelprüfung. Leidet ein Mensch unter Beschwerden, die den Erscheinungen bzw. Symptomen der geprüften Arznei ähnlich sind, wird die Substanz zum passenden homöopathischen (ähnlichen) Arzneimittel. Für einen kranken Menschen wird demnach eine Arznei ausgewählt, die, im Sinne der Symptomähnlichkeit, am besten zu dessen individuellen Beschwerden passt.
Hier ein stark vereinfachtes Beispiel zur Illustration: Beim Schneiden einer Küchenzwiebel, Alium cepa, können bei einem empfindlichen Menschen die Augen tränen, wässriges, brennendes Sekret kann aus der Nase laufen, das Nasenausgang und Oberlippe reizt. Der Betreffende beginnt zu niesen und im Freien wird alles besser.
Gleiche Diagnose – unterschiedliche Arzneien
Leidet ein Patient an einem Schnupfen, der ähnliche Beschwerden aufweist, sollte die Behandlung mit dem homöopathischen Wirkstoff Alium cepa hilfreich sein. Ist die Art des Schnupfens anders, ist die Absonderung aus der Nase gelb – schleimig oder borkig, bedarf es einer anderen Arznei. Andererseits: Ist die Diagnose eine andere, z.B. Heuschnupfen, sind aber die o.g. Symptome präsent, kann Alium cepa auch bei dieser Diagnose das passende homöopathische, weil „ähnliche“, Arzneimittel sein.
Bei der Arzneimittelwahl gemäß dem Ähnlichkeitsprinzip geht es also primär um die Ähnlichkeit von Symptomen. Ohne Berücksichtigung der individuellen Symptome gelangt man nicht zum passenden Arzneimittel.
Individuelle Arzneimittelwahl
Es ist leicht nachvollziehbar und jedem geläufig, dass verschiedene Menschen auch mit der selben Diagnose (bzw. Krankheit) mit unterschiedlichen Beschwerden auf die Störungen ihrer Gesundheit reagieren können. Neben den für die jeweilige Erkrankung typischen Symptome (z.B. Absonderungen aus der Nase beim Schnupfen) treten individuelle Beschwerden auf – insbesondere diese führen zum passenden Arzneimittel. Der Schnupfen kann wässrig brennend sein, von häufigem Niesen und tränenden Augen begleitet sein sowie Besserung an der frischen Luft aufweisen. Oder der Schnupfen ist sehr zäh, die Nase eher verstopft, und es bilden sich Borken oder Krusten in der Nase. Je nach individueller Symptomatik bedarf es einer für diese Beschwerden passenden Arznei. Die individuellen Umstände können sich in einer Vielzahl von Details ausdrücken, z.B. in unterschiedlichen Auslösern oder verschiedenartigen Modalitäten, z.B. was lindert oder verschlechtert die Beschwerden, aber auch in unterschiedlichen körperlichen und/oder seelischen Begleiterscheinungen.
Perspektivwechsel
Sowohl für den Patienten als auch für den Therapeuten erfordert die homöopathische Arzneimittelwahl einen Perspektivwechsel. Konventionell stützt sich die Diagnostik auf Leitsymptome (Symptome, die bei allen Betroffenen mit der gleichen Diagnose auftreten) sowie auf technische Befunde (Röntgen oder andere bildgebende Verfahren, Blutergebnisse u.a.).
Für die homöopathische Arzneimittelwahl sind neben der Erhebung bzw. Wertung dieser Befunde gerade die individuellen, subjektiv empfundenen Erscheinungen bedeutsam. Diese sollten für die Arzneimittelwahl besonders beachtet werden. Ihr Auftreten und ihre Ausprägung sind nicht beliebig – sie spiegeln in besonderer Weise den Zustand des Organismus und das Bemühen der körpereigenen Regulation wieder, Gesundheit zu erlangen. Die individuelle Erscheinung einer Erkrankung mit all ihren körperlichen und seelischen Facetten ist die rationale Grundlage für die Wahl eines passenden, homöopathischen Arzneimittels.
Aus den bisherigen Ausführungen wird deutlich: Ohne Ähnlichkeitsprinzip keine Homöopathie! Unglücklicherweise hat das Arzneimittelrecht in Deutschland den Begriff Homöopathie anhand des Herstellungsverfahrens definiert. Homöopathische Arzneimittel sind gemäß Arzneimittelgesetz Arzneimittel, die in einem homöopathischen Zubereitungsverfahren hergestellt wurden. Daher ist es sinnvoll, zwischen Homöopathie einerseits (dem Einsatz einer Arznei nach dem Ähnlichkeitsprinzip) und der Verwendung potenzierter Substanzen im Rahmen anderer Heilverfahren andererseits (z.B. Anthroposophie), zu unterscheiden.